„Als ich aus der Narkose aufgewacht bin habe ich mich angeschaut und gesagt: das bin ich jetzt! Ab sofort gebe ich wieder Gas!“

„Was ich durch Anpfiff ins Leben gewonnen habe wiegt das Verlorene wieder auf.“

„Ich brauche keine Hilfe, ich brauche Unabhängigkeit“, stellt Volker Lauble klar. Die hat er sich nach seiner Amputation im Sommer 2014 nicht zum ersten Mal erkämpfen müssen. Als ältestes von vier Kindern stand die Unterstützung der alleinerziehenden Mutter im Vordergrund, persönliche Freiheiten mussten hintenanstehen. Früh geht er arbeiten, zum Sport kommt er als Spätstarter. Erst mit 18 Jahren schnürt er zum ersten Mal die Fußballschuhe, mit 50 widmet er sich dem Ausdauersport. Mit 56 will er seinen ersten Marathon laufen, doch dann kommt alles ganz anders. Ein Hundebiss beim Trainingslauf führt zur Sepsis. 37 Tage liegt er auf der Intensivstation, überlebt nur mit „Ach und Krach“, wie er heute sagt. Fünfmal wird er in zwölf Tagen operiert, doch die Infektion ist zu weit ausgebreitet. Am 4. August 2014 steht er vor einer Wahl: Das rechte Bein muss vollständig amputiert werden. Das linke Bein kann bis zum Vorfuß erhalten werden, die besten Perspektiven für seine berufliche und sportliche Zukunft bietet ihm aber die vollständige beidseitige Amputation.

Am selben Abend verabschiedet er sich von beiden Beinen – und seinem alten Leben. Wenn Volker von diesem Einschnitt erzählt, klingt alles ganz leicht: „Als ich aus der Narkose aufgewacht bin habe ich mich angeschaut und gesagt: das bin ich jetzt! Ab sofort gebe ich wieder Gas!“ Der 5. August 2014 ist für ihn ein Neuanfang. Zur Erinnerung hat er das Datum in ein Tattoo auf seinem linken Oberarm integriert. Den ziert ein riesiger bunter Phönix: „Der zeigt meinen Kampf ums Überleben. Noch immer denke ich jeden Tag an dieses Datum.“

Inzwischen ist Volker mehrmals in der Woche im "Anpfiff ins Leben"-Pavillon in Hoffenheim aktiv.

Bereits die Reha in der Becker Klinik Ludwigshafen sieht er als Herausforderung. „In neun Wochen laufe ich hier ohne Gehhilfe wieder raus!“, verspricht er den ungläubigen Pflegern. Und er hält Wort. Die Reha vergleicht er mit der Grundausbildung bei der Bundeswehr, trotz der Schmerzen schiebt er Extraschichten. Hier lernt er auch Diana Schütz und das Angebot von Anpfiff ins Leben e.V. kennen. Doch die Bewegungsförderung kommt für ihn zu früh, Volker hat vorerst andere Ziele: er will zurück in den Beruf. Bereits im Januar findet er einen Arbeitgeber, der ihn nach und nach wieder in die Vollzeit eingliedert. Wie vorher arbeitet er im Lager, jetzt in leitender Position in der Koordinierung. Das Berufsleben gibt ihm eine zweite Stütze neben seiner Frau Heidi. „Auch für sie hat sich das Leben komplett verändert“, gibt Volker zu bedenken: „Sie wird immer gefragt: ‚Wie schafft der Volker das?‘ Aber sie fragt das keiner. Die Partner gehören viel mehr erwähnt.“

Stolz präsentiert Volker den Phönix, der seinen Kampf ums Überleben symbolisiert.

Mit der Gewöhnung an ein neues Leben kehren bald auch die sportlichen Ambitionen zurück. Volker erinnert sich an die Begegnung mit Diana und Anpfiff ins Leben e.V. „Auch, weil ich ein paar Kilo angesetzt hatte“, gesteht er ein. Beim Besuch im „Anpfiff ins Leben“-Pavillon in Hoffenheim wird ihm das Sportangebot der Bewegungsförderung für Amputierte vorgestellt, inzwischen ist er bei so gut wie allem dabei: Fitnesstraining, Sitzvolleyball, auch bei der neu gegründeten Laufgruppe macht er mit. „Ich bin hier angekommen, hier fühle ich mich zu Hause.“

Seine Priorität liegt allerdings klar beim Sitzvolleyball: „Ich probiere zwar alles aus, aber das ist meine Sportart.“ Obwohl die meisten Spieler von Anpfiff Hoffenheim e.V. den Sport erst seit wenigen Jahren ausüben, konnten sie schon erste Erfolge verbuchen. Auf einem Turnier in Leverkusen gewannen sie am letzten Spieltag alle Spiele. „Das war der Hammer“, erzählt Volker stolz. Von diesen Geschichten hat Volker einige auf Lager. Und er erzählt sie gern. Neben der sportlichen Abwechslung war der Kontakt zu Menschen mit ähnlichen Erfahrungen der größte Gewinn durch „Anpfiff ins Leben“. All die Menschen, die er ohne die Amputation niemals kennengelernt hätte, beschreibt er als Entschädigung für die fehlenden Beine.

Die Freude, die ihm das sportliche und menschliche Miteinander bereitet, möchte er weitergeben. Und sich so auch für das Erhaltene bedanken. „Ich bin Dietmar Hopp sehr dankbar, dass es so etwas wie ‚Anpfiff ins Leben‘ überhaupt gibt. Dass mich jetzt so viele Leute kennen, möchte ich für den Verein nutzen. Die Bewegungsförderung für Amputierte ist mir eine Herzensangelegenheit geworden,“ schwärmt er. Volker hat Anpfiff ins Leben e.V. nicht gebraucht – aber hier hat er eine neue Heimat gefunden.

Christoph Holzenkamp, November 2017