Zum Hauptinhalt springenZum Seitenfuß springen

Gewaltprävention und Kommunikation mit der U17 in Heidelberg: „Man sieht Alternativen, an die man sonst nie gedacht hat.“

Was heißt ausgrenzen? Wie nah darf man jemandem kommen? Und wie geht man mit Provokationen um? Diese und andere Fragen waren Thema beim dreiteiligen Workshop bei der U17 der SG Heidelberg-Kirchheim. Vor allem die realistischen Szenarien begeistern die Teilnehmer.

„Was wäre denn die letzte Übung gewesen und können wir die nicht trotzdem noch machen?“ Es ist kurz nach 20 Uhr und hinter den rund 15 Jugendlichen der U17 der SG Heidelberg-Kirchheim liegt der dritte Teil des Gewaltpräventionstrainings. Doch genug haben sie noch lange nicht. Das liegt vor allem daran, dass sie in den zurückliegenden Trainingseinheiten nicht nur jede Menge Spaß hatten, sondern auch viel darüber gehört und gelernt haben, wie es auf der Straße läuft und „viel fürs Leben mitgenommen haben“, so die einhellige Meinung.

„Wir haben uns vor allem mit Kommunikation und Verhalten beschäftigt“, sagt Emanuel Giuliano von cool-xx.de, der den Workshop leitet. „Also, wie geht man mit anderen um“. Das übt er nicht nur in der Theorie, sondern in erster Linie in der Praxis. „Provozier mich mal“, fordert er einen der Jungs auf, „es ist alles legitim“. Und zeigt dann, wie man mit solchen Situationen umgeht. 

Gewaltschutztrainer: „Eure Entscheidung, ob Ihr auf Beleidigungen reagiert“

„Für mich gibt es zwei Arten: direkte und indirekte Provokation – ich provoziere direkt oder heize eine Situation an“, erklärt Giuliano. „‚Was guckst Du‘“ ist die schnellste Provokation auf der Straße.“ Er holt eine Fernbedienung raus und erklärt: „Ihr lasst Euch steuern.“ Berk widerspricht. Doch der Trainer demonstriert, wie Provokationen funktionieren und man nur den richtigen Knopf drücken muss, damit eine entsprechende Reaktion kommt. Die Jungs der U17 bleiben aber alle cool, schließlich haben sie auch schon zwei Einheiten des Workshops hinter sich. Dennoch zeigt das Beispiel mit der Fernbedienung eindrücklich, dass schnell etwas aus dem Ruder laufen kann – aber eben auch, dass es nicht funktioniert, wenn derjenige nicht auf die Provokationen eingeht. „Es ist Eure Entscheidung, ob Ihr auf dem Platz seid und auf Beleidigungen reagiert. Ich würde nach einer Alternative schauen“, rät Giuliano, „die Fernbedienung würde ich in den Müll werfen“.

Dann gibt es doch noch einen kurzen theoretischen Exkurs, es geht um die Statuswippe. Also um Macht und die Frage, ob man oben ist oder unten. In der Mitte, so Giuliano, bleibt die Wippe eigentlich nie stehen. In der Praxis kann das dann so aussehen, dass man andere runtermacht, weil sie vermeintlich nicht die richtigen Statussymbole haben. Doch auch hier zeigt sich, dass die Jungs schon viel gelernt haben und die gewollten Provokationen abblitzen lassen.

Logistikfirma Fritz Fels unterstützt den Workshop und „Anpfiff ins Leben“

Gesponsert wird der Workshop von der Fachspedition Fritz Fels. Das alteingesessene Heidelberger Unternehmen für Transport und Logistik ist langjähriger Unterstützer von „Anpfiff ins Leben“ und die Förderung junger Sportler liegt ihnen besonders am Herzen. „Wir haben einen kleinen Sohn, der auch bei der SGK Fußball spielt. Da ist es naheliegend, dass wir einen solchen Workshop gerne unterstützen“, erzählt Adrian Saul, der Prokurist bei Fels ist. Seine Frau ist dort Geschäftsführerin und für beide ist es klar, dass sie sich für andere engagieren wollen. Die Partnerschaft mit „Anpfiff ins Leben“ war daher für beide ebenso naheliegend, denn Anpfiff begleitet Vereine aus der Region – je nach Bedarf mit punktueller Expertise oder im Rahmen der 360-Grad-Förderung, die Sport, Schule, Beruf und Soziales vereint. 

Neuer Workshop in der Anpfiff-ins-Leben-Bildungsreihe und ein neues Gesicht

Um soziale Kompetenzen geht es auch bei dem Gewaltpräventionstraining. Sina Schiele, Anpfiff-Koordinatorin in Heidelberg, hatte die Idee dazu, „weil es in dem Alter ja immer wieder ein Thema ist“ und hat mit Emanuel Giuliano ein neues Gesicht an Bord geholt. Giuliano ist seit über 20 Jahren im Bereich Gewaltprävention aktiv und betreut vor allem Täter. „Für den Opferschutz ist viel getan, wenn ich verhindere, dass ein Täter weiter Gewalt anwendet“, lautet seine Devise. Giuliano ist außerdem Kampfsporttrainer. Das und seine jahrelange Erfahrung mit im Umgang mit Delinquenten flößt den Jungs der U17 Respekt ein, gebannt hören sie zu. 

Was sie in den drei Teilen lernen, sollen sie auch auf dem Platz umsetzen: sich nicht vom Gegner provozieren lassen und möglicherweise eine Karte kassieren. Aber dasselbe gilt auch für den Alltag. „Kein Handy ist wertvoller als Dein Leben“, betont Giuliano. Außerdem macht er klar, dass jeder für sich verantwortlich ist, ob man explodiert, auf Provokationen reagiert – oder eben nicht. „Der Workshop ist sehr realitätsbezogen“, findet Berk, „der Trainer weiß, wie es so abgeht und wie man es besser lösen sollte.“ Auch Jason haben die Geschichten aus der Praxis beeindruckt. „Man hat was fürs Leben gelernt“, sagt er. 

Übung mit Bauklötzen sorgt für Aha-Effekt

Die nächste Übung macht der Trainer gleich dreimal. Den Anfang machen Leo und Jason. Sie sollen aus Bauklötzen etwas zusammenzubauen: Dabei baut der eine und erklärt dem anderen, der mit dem Rücken zu ihm sitzt, was er tun soll, um das gleiche Konstrukt nachzubauen. Während der ersten Runde schauen die anderen einfach nur zu. Am Ende zeigt sich, dass der Nachbau doch ein wenig anders aussieht als das Original. Die zweite Runde? „Voll Katastrophe“ gesteht Berk, der diesmal den Auftrag des Erklärers hat. Denn jetzt laufen alle anderen Teilnehmer herum und unterhalten sich. Die Anweisungen an denjenigen, der nachbauen soll, sind teilweise gar nicht zu verstehen. Entsprechend sieht das Ergebnis aus. Für Runde drei braucht Emanuel Giuliano jemanden, der viel reden kann und dafür ist Leo prädestiniert. Er und der Trainer sitzen den beiden Baumeistern gegenüber und haben die Aufgabe, sie zu stören. Leo erledigt seinen Job in Perfektion, auch wenn sein Gegenüber alles versucht, trotzdem noch den Anweisungen zu folgen. Der Trainer übernimmt den Part, Rafa beim Erklären zu unterbrechen und irgendwie in ein Gespräch zu zwingen. Doch der lässt sich aber nicht beirren – „es gibt ganz wenige, die das können“ sagt der Trainer. Er ist überzeugt, dass Multitasking beim Menschen nicht funktioniert.

 „Versteht Ihr jetzt, wie es Euren Lehrern und dem Trainer manchmal geht?“ Nicht nur für die sechs, die jeweils die Aufgabe lösen sollten, öffnet die Erfahrung am eigenen Leib die Augen, auch bei der restlichen Truppe spürt man den Aha-Effekt. Denn sobald alle durcheinanderlaufen und -reden ist es kaum noch möglich sich zu konzentrieren. „Keine Faxen machen, sondern zuhören“, betont Trainer Giuliano daher.

Ohne Kommunikation funktioniert es nicht als Team 

Diese Erkenntnisse sollen auch helfen, als Team besser zu funktionieren. Insbesondere in den ersten beiden Blöcken lag der Fokus auf Teamfähigkeit und Teamführung und natürlich jeder Menge praktischer Übungen dazu. Beispielsweise, sich mit verbundenen Augen von jemand anders durch den Raum führen zu lassen. Dabei muss man sich auf den anderen verlassen, dass er einen nicht gegen die Wand laufen lässt. Im zweiten Teil kam das Mannschaftsdenken dazu. David, der Trainer der Mannschaft, ist beeindruckt: „Wir haben viel fürs Leben gelernt, auch fürs Team.“

Für den letzten Block haben die Jungs sich gewünscht, etwas über Notwehr zu erfahren. Sie bombardieren den Trainer mit Fragen. Giuliano erklärt verschiedene Szenarien und erklärt, dass man sich immer wehren darf, wenn man gewürgt wird: „Bei allem, was lebensbedrohlich ist, darf ich mich wehren“. Aber er schärft ihnen auch ein, dass man solchen Situationen am besten aus dem Weg geht: „Wenn die Möglichkeit besteht zu gehen, geh!“

Trotz der teilweise ernsten Themen ist die Stimmung bis zum Schluss locker. „Der Trainer hat uns viel beigebracht und es war immer lustig“, sagt Berk. Das sieht sein Teamkamerad Henri genauso: „Man hat deutlich was dazugelernt und man sieht Alternativen, an die man sonst nie gedacht hat.“