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„Viele positive Veränderungen, die zu selten im Fokus stehen.“

Matthias Born, Sportlicher Leiter von Anpfiff ins Leben, äußert sich in einem Kommentar zur DFB-Reform im Grundlagenbereich und erläutert dabei, warum diese der richtige Schritt für die Kinder ist:

 

04.10.2023

 

Auf die Ausbildung der jüngsten Fußballerinnen und Fußballer wird besonders dann kritisch geschaut, wenn die elf besten Fußballer des Landes ein enttäuschendes Turnier gespielt haben. Aktuell steckt die Nationalmannschaft in einer Krise, weshalb die Ausbildung im Grundlagenbereich, also den Bambinis, F- und E-Jugenden, besonders unter der Lupe steht. Wahrscheinlich ist es auch diese sportliche Krise, die für die Schärfe der Aussagen sorgt. Aber worum geht es eigentlich genau?

 

Viele Experten bemängeln, dass die geplanten Reformen den Wettkampfcharakter aus dem Grundlagenbereich streichen würden. Die Sorge ist ganz offensichtlich, dass den Profis, die dieser Ausbildung entwachsen, die Wettkampfhärte, der Ehrgeiz, das Aufbäumen abhandenkommt. Aber sind dies nicht genau die Werte, die der aktuellen Fußballgeneration abgesprochen wird? Und die wurde doch nach den guten alten Regeln, Spielformen und Organisationsformen ausgebildet.

 

Für mich wirft das zwei Fragen auf: Kann man die Mentalität von Sportlern überhaupt trainieren? Und was haben wir aktuell zu verlieren?

 

Ich glaube, es lohnt sich, bei all den Diskussionen um die Grundlagenreform auch einmal auf die vielen Kinder zu schauen, die sie betrifft – nicht nur auf die wenigen Profis, die einmal aus ihnen werden sollen. Wenn man sich mit der Reform befasst, wird schnell klar, dass viele Statements von Halbwissen zeugen. Im Zentrum der Kritik steht oft, dass es keine Sieger und Verlierer mehr gibt und dass ohne Torwart gespielt wird. Beides stimmt jedoch nicht.

 

Im Wesentlichen geht es bei der Reform darum, im Grundlagenbereich die klassische Spielform zu ersetzen. Weniger Kinder sollen auf kleineren Feldern gegeneinander spielen, entweder auf vier Minitore ohne Torhüter oder auf zwei Kleinfeldtore mit Torhüter. An Spieltagen treffen nicht nur zwei Teams aufeinander, sondern mehrere. Sieg und Niederlage gibt es genau wie vorher, lediglich auf Tabellen wird verzichtet. Die Kinder wissen also genau, wer gewonnen und wer verloren hat, die Eltern können es nur nicht mehr nachlesen.

 

Diese Reform bringt viele positive Veränderungen, die leider viel zu selten im Fokus stehen. Bei kleineren Feldern und geringeren Spielerzahlen haben alle Kinder mehr Ballkontakte und mehr Eins-gegen-Eins-Situationen. Es kommt zu mehr Torabschlüssen und Toren. Alle Kinder bekommen mehr Einsatzzeit. Bei Turniertagen rücken die Sieger eines Spiels auf, es spielen also stets vergleichbar starke Teams gegeneinander. Hohe Siege, bei denen das bessere Team nicht gefordert und das schlechtere demotiviert wird, werden somit verhindert. Zusätzlich wird das FairPlay und die Eigenverantwortung der Kinder geschult, denn die Spiele kommen ohne Schiedsrichter aus.

 

Selbstverständlich gibt es aber auch Aspekte der Reform, über die sich diskutieren ließe. Wann ist der richtige Zeitpunkt, um mit gezielter Torhüterausbildung oder Tabellen zu beginnen? Wie werden Vereine bei der Umstellung auf die neuen Spielformen unterstützt, etwa bei der Anschaffung von Materialien oder bei der Organisation? Denn am Ende ist jede Reform nur so gut wie die Menschen, die sie umsetzen. Also die Vereinsvertreter und Trainer. Sie müssen überzeugt, unterstützt und mitgenommen werden. Daher ist die Diskussionskultur, die der DFB aktuell vorlebt, fatal. Statt sachlich über die bestmögliche Reform zu reden, zerfleischen die DFB-Akteure sich selbst.

 

Ein Blick zu unseren Nachbarn zeigt, dass viele bereits ähnliche Reformen vollzogen haben. In England, Frankreich, Spanien, Belgien oder den Niederlanden gibt es das klassische Ligensystem erst in höheren Altersklassen. Stattdessen wird in kleinen Teams auf kleinen Feldern gespielt, um die individuellen technischen Fertigkeiten zu fördern. Die Verbände wollen den Kindern den Druck nehmen und stattdessen Spaß vermitteln. Viele der aktuellen Weltstars sind bereits mit diesen Prinzipien ausgebildet worden. Unter den großen europäischen Verbänden bildet nur Italien in einem ähnlich modernisierungsbedürftigen System aus wie Deutschland.

 

Es ist längst an der Zeit, dass wir den Schritt wagen und Spielformen einführen, die für mehr Ballkontakte, mehr Tore und dadurch auch für mehr Spaß sorgen. Und wem dieses Argument alleine nicht ausreicht: Desto mehr Kinder Spaß am Fußball haben und dem Sport treu bleiben, desto größer ist auch der Pool an Spielern, aus denen später Profis und Nationalspieler werden.