Gut beraten für eine gute Beratung

Erstellt von Christoph Holzenkamp 24.10.2018

An den vier Seminarwochenenden wurde nicht nur viel diskutiert, sondern auch viel gelacht.

Susi Wrede, Nenad Birek und Volker Lauble (vl) nahmen an allen vier Wochenende teil.

Die Gruppe will nach den vier Wochenenden in Kontakt bleiben.

Dorothee Schmid und Meike Ehrlich (vl) führten durch das Seminar.

Der Verlust eines Körperteils ist eine traumatische Erfahrung, die nur nachempfinden kann, wer es selbst erlebt hat. Deshalb ist für Amputations-Patienten neben der fachlichen Beratung durch Ärzte und Orthopädie-Techniker der Austausch mit anderen Amputierten so wichtig. In einer Seminarreihe hat Anpfiff ins Leben zwölf Amputierte auf diese Beratungsgespräche im Krankenhaus vorbereitet.

Im Februar kam die Gruppe zum ersten von insgesamt vier Seminarwochenenden im „Anpfiff ins Leben“-Pavillon in Hoffenheim zusammen. Unter der Leitung von Dorothee Schmid und Meike Ehrlich setzten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zuerst einmal mit den eigenen Erlebnissen auseinander. „Gespräche mit frisch amputierten Patienten können sehr emotional werden“, berichtet Diana Schütz, die die Seminarreihe ins Leben gerufen hat. „Deshalb ist es wichtig, dass man seine eigene Krankheit verarbeitet hat.“ Im Idealfall zieht man den Patienten ein Stück weit aus seinem emotionalen Loch, im schlimmsten Fall wird man selbst hineingezogen.

„Nicht jeder eignet sich, um anderen Menschen in einer solchen Zeit beizustehen“, sagt Schmid.  „Die eigene Amputation sollte mindestens zwei Jahre zurückliegen. Aber die Teilnehmer hier sind alle sehr gut geeignet, um anderen zu helfen.“ Deswegen standen im Verlauf der weiteren drei Seminarwochenenden vor allem Techniken zur Gesprächsführung im Vordergrund. Und viele Übungen: „Wir haben immer wieder Rollenspiele gemacht, damit die Teilnehmer mit unterschiedlichen Situationen konfrontiert werden. Durch die Wiederholung gewinnen sie Sicherheit und werden selbstbewusster“, erklärt Ehrlich. Auch den letzten Sonntag der Schulung beginnen Schmid und Ehrlich mit einer praktischen Zweierübung. Für den Zuhörer geht es darum, nicht nur das Gehörte aufzunehmen, sondern auch zu erkennen, was für Wünsche oder Sorgen sich zwischen den Zeilen verbergen könnten.

Nenad Birek hat zwar auch beruflich viel Kontakt zu Patienten, aber die Beratung von anderen Amputierten beschreibt er als etwas ganz Anderes. „Auch nach 40 Jahren Berufserfahrung weiß ein Orthopädie-Techniker nicht, wie sich eine Amputation anfühlt.“ Der oberschenkelamputierte Birek hat vor allem vom persönlichen Austausch profitiert und deshalb die Anreise aus Hannover nicht gescheut. „Ich habe viele neue Techniken gelernt, um die Ebene der Betroffenen anzunehmen“, sagt er. Das wiederholt Susi Wrede. Die Physiotherapeutin aus Schöneich bei Tübingen wurde schon in der Vergangenheit von Ärzten gebeten, mit Amputations-Patienten zu sprechen. Sie hatte sich auch einen Vortrag zum Thema angehört. „Das war gut, aber ein einzelner Vortrag kann der Herausforderung nicht gerecht werden. Hier haben wir die Zeit, unsere Erfahrungen auszutauschen.“

Nach der Übung wird diskutiert und zusammengefasst, was eine gute Beratung ausmacht. Diese sollte vor allem dem Patienten etwas bringen: Mut, Sicherheit, Information, oder einfach das Gefühl, nicht alleine zu sein. Dazu tragen eine ruhige, vertrauensvolle Atmosphäre und aktives Zuhören bei. Aber auch das Abstecken von klaren Grenzen und das Eingeständnis von eigenen Wissenslücken sei wichtig. Im Gegenteil könne eine Beratung schnell ihr Ziel verfehlen, wenn man zu sehr bei den eigenen Erfahrungen verharrt. Oberstes Prinzip sei stets, die Situation des anderen ernst zu nehmen und sie nicht mit eigenen Erfahrungen zu relativieren. „Nur, weil mir das ganze Bein fehlt, heißt das nicht, dass die Vorderfuß-Amputation meines Gegenübers weniger traumatisch ist“, sagt Diana Schütz. Genauso dürfe man den Betroffenen keine unrealistischen Hoffnungen oder Vorschriften machen.

Bereits im Februar war die Begeisterung in der Gruppe groß. Auch im Oktober hat sich daran nichts geändert: „Wir wollen auf jeden Fall im Austausch bleiben“, sagen Wrede und Birek, der auch in Hannover eine Selbsthilfegruppe organisieren möchte. Der Sonntag, an dem die Gruppe zum letzten Mal auseinandergeht, ist das Ende der Seminarreihe. Die Arbeit aber geht jetzt erst los. Darauf sind sie dank Schmid und Ehrlich und dem Austausch untereinander aber bestens vorbereitet.